Juliane werding

Das spiel, das man liebe nennt

Juliane werding
Hast Du nicht schon mal
Versucht, Zärtlichkeit
Zu Verschenken,
Und keiner
Will sie haben?
Gingst nicht auch Du mal
Bis morgens um fünf
Durch die Straßen,
Zu einsam,
Um zu schlafen?
Fühlst Du nicht manchmal
Den Wunsch,
Nie geboren zu sein?
Das Spiel, das man "Liebe" nennt,
Spielen die andern, und Du
Bleibst allein.

Du triffst einen Menschen,
Du magst ihn, und plötzlich
Beginnst Du,
Viel bewußter
Zu leben.
Du lernst wieder lachen,
Du kannst wieder hoffen,
Und offen
Über alles
Mit ihm reden.
Du liebst ihn so sehr,
Daß Du alle
Bedenken vergißt,
Doch das Spiel, das man "Liebe" nennt,
Sieht manchmal einfacher aus,
Als es ist.

Es fängt damit an,
Daß man zu viel
Vom andern erfährt,
Auch die Schwächen
Und Fehler.
Bald weißt Du genau,
Was ihm weh tut,
Und kannst ihn verletzen,
Immer tiefer
Und schneller.
Du gönnst ihm
Die Freiheit nicht mehr,
Die Dir selber fehlt.
Ja, das Spiel, das man "Liebe" nennt,
Ist manchmal grausam wie nichts,
Nichts auf der Welt.

Nach jedem zermürbenden
Streit fällst Du ihm
In die Arme,
Es ist noch einmal
Gut gegangen.
Doch dann kommt der Tag,
Da liegst Du neben ihm,
Und fühlst nichts mehr,
Es ist sinnlos
Zusammen.
Der Abschied ist kühl,
Doch die Tränen am Morgen
Sind heiß,
Denn das Spiel, das man "Liebe" nennt,
Fordert am Ende von Dir
Seinen Preis.

Du fühlst Dich
Am Boden zerstört,
Doch das Leben läuft weiter,
Wie ein Uhrwerk,
Wie ein Wasserfall.
Und Du raffst Dich
Auf und beschließt,
Dich nie mehr zu verlieben,
Und Du schaffst es,
Bis zum nächsten Mal.

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